Wenn es schwer fällt, das Herz zu öffnen

Ich arbeite nun schon seit vielen Jahren als selbstständige Trauerrednerin. Und immer wieder geht es in diesen vielen Lebensgeschichten darum, wie begegne ich dem Leben und wie dem Tod.

Meine Erfahrungen und mein eigenes Suchen möchte ich in diesem Beitrag mit dir teilen.

Die Bedeutung des Austauschs

Wie wichtig ist der Austausch miteinander? Ich hatte gerade einen Trauerfall einer Familie. Da war er in seinen 80ern und litt unter OPCD und konnte kaum noch sprechen. Und am Ende konnte er gar nicht mehr sprechen. Und das, darunter hat die Ehefrau auch in diesem Alter sehr gelitten. Aber er war auch jemand, der in seinem Leben nicht viel von sich preisgab.

Ein stiller Mensch mit einer bewegten Vergangenheit

Der eher still war, der sich zurückzog, der seinem Hobby im Keller nachging, dort Metallarbeiten verrichtete. Das war ihm wichtig, da konnte er sich hineinversetzen und war da in seiner ganz eigenen Welt. Nun hatte er eine Kindheit. Er stammte auch aus diesen Generationen, aus den 30ern, 40ern. Menschen, die den Krieg miterlebt haben. Seine Familie war auch noch vertrieben worden aus den ehemals deutschen Ostgebieten.

Er hat seinen Bruder auf der dramatischen Flucht sterben sehen und kam hierher nach Deutschland, ohne irgendetwas zu haben mit seiner Familie. Weder große Besitztümer, überhaupt Besitztümer, noch irgendein Ansehen. Sie waren einfach Vertriebene und wurden von den Deutschen, von den Ansässigen, die in dieser Zeit natürlich auch nicht viel hatten, nicht gerade mit offenen Armen empfangen.

Die Angst, sich zu zeigen

Und dieses Gefühl, sich verstecken zu müssen, sich auch nicht zeigen zu dürfen, weil man vielleicht sonst einen Makel erkennen könnte, das hat ihn sein ganzes Leben lang begleitet. Er litt wohl darunter, dass er sich auch nicht so ausdrücken konnte. Und seine Frau versuchte immer wieder, auf ihn zuzugehen und ihn zu ermutigen.

Sie wollte sogar eine Therapie für ihn ausmachen, aber dazu kam es dann auch nicht mehr. Er hatte einfach nicht gelernt, sein Herz zu öffnen, mit dem Herzen zu sprechen oder das so auszudrücken, wie es vielleicht Männer tun sollten. Vielleicht auch lächerlich gemacht.

Sie waren dann beschämt und schworen sich, nie wieder so etwas zu sagen. Blamiert und verspottet zu werden, das will ja wirklich niemand. Über Gefühle zu sprechen hat ja auch etwas von Nichtmessbarem, von sehr Persönlichem, von Nichtobjektiven, von keinen Fakten und Tatsachen.

Das sind ganz persönliche Eindrücke und Empfindungen, die sich nicht jeder zugesteht oder die auch andere nicht unbedingt zugestehen wollen. Die gerade die Sprache des Herzens sprach. Und hier können wir wieder davon sprechen, wie sich Gegensätze gegenseitig anziehen.

Die Familie als Spiegel

Die Töchter hatten ihn, den Vater, als sehr unpersönlichen, ja fast schon kalten und uninteressierten Menschen in Erinnerung. Auch die Enkel bekamen kein richtiges Verhältnis zu ihm und er auch nicht zu ihnen. Es war sehr traurig, das mit anzuhören, wie distanziert eben die Töchter von ihrem Vater sprachen.

Und die Mutter litt darunter. Natürlich, sie hätte es sich ja anders gewünscht, so wie wir uns ja fast alle Familie wünschen. Dass wir uns verstehen, dass wir miteinander sprechen und uns austauschen können, dass wir dieselbe Sprache sprechen.

Verschiedene Sprachen sprechen

Und in dieser Familie sprach man ganz offensichtlich unterschiedliche Sprachen. Interessant war nämlich, dass der Vater sich mit Geomantik beschäftigte, also mit Energiefeldern auf der Erde, auf der Welt. Und der Energiefolgen hat ja auch etwas mit Kommunikation zu tun.

Es ist eben eine andere Art von Sprache, die die anderen Familienmitglieder vielleicht nicht so sprachen oder verstehen konnten. Er war auch mathematisch und was Physik angeht sehr bewandert, sehr talentiert und kannte sich aus. Und die Mathematik und die Physik sind ja, kann man sagen, die Sprachen der Natur übersetzt in unsere Zeichen.

Er war also durchaus fähig, andere Sprachen oder Sprachen überhaupt aufzunehmen. Er war interessiert an der Sprache. So kannte er zum Beispiel auch Vogelarten.

Er beobachtete sie und kannte von allen Vögeln, die er so im Garten beobachten konnte, die Namen. Er kannte ihre Sprache. Er wusste, welcher Vogel wie singt und konnte die Vögel anhand ihrer Stimmen identifizieren.

Also auch wieder eine Sprachfähigkeit. Aber er konnte nicht sagen, ich liebe dich oder danke dir oder meine lieben Töchter oder was man eben gerne mal hört, so als Kind oder als Ehefrau. Das fiel ihm schwer dazu, war er nicht in der Lage.

Worte, die bleiben

Aber er schrieb Briefe, Briefe an seine Frau. Und schriftlich konnte er sich ausdrücken, konnte er das sagen, was ihm persönlich oder direkt in der Sprache, im direkten Austausch nicht gelang. Das fand ich etwas ganz Besonderes.

Das hatte ich so noch gar nicht gehört. Natürlich wissen wir, dass es Menschen gibt, die leichter Postkarten schreiben können oder Liebesbriefe. Das ist schon klar.

Aber meist gehen wir davon aus, dass Menschen sich auch so persönlich dann ausdrücken können. Aber nein, so ist es nicht. Wenn wir schreiben, dann treten wir nochmal in eine Distanz.

Da kommt unser Verstand nochmal einmal mehr zum Zug. Und dieses direkte Konfrontieren, das fällt weg. Ich sage es mir und schreibe es auf, aber ich spreche es nicht direkt gegenüber dem anderen aus.

Ich habe seine Reaktion nicht direkt vor Augen. Vielleicht ist das für manche Menschen auch zu viel. Vielleicht ist da auch eben diese Angst vor Verspottung oder sowas in der Richtung einfach da, was man vielleicht früher erlebt hat.

Und diese Situation, die stellt sich nun in der Erinnerung immer wieder vor. Das, was man eben mal sagen will. Diese Briefe, die hat sie alle gesammelt, die Ehefrau.

Und sie sind jetzt auch nach dem Tod des Mannes natürlich Worte, die bleiben, die sie immer wieder hervorholen kann.

Das Herz öffnen: Die Suche nach dem, was in uns liegt

Die Suche, nach dem was in uns liegt

Und vielleicht ist das ein klein wenig Trost oder ein bisschen Wiedergutmachung für das, was sie im Leben mit ihm vermisst haben mag. Und ganz besonders fand ich, dass er sich eben mit Geomantik beschäftigte, also Energiefelder auf der Erde suchte und das stärkste Energiefeld eigentlich in sich hatte, nämlich sein Herz.

Wie oft suchen wir etwas im Außen, das eigentlich in uns ist.

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